Sonntag, 2. Dezember 2007

Jetzt wird es kulinarisch

Die letzten zwei Wochen standen für uns ganz unter dem Stern des „kulinarischen“ Essens in Australien. Angefangen bei dem Abendessen, zu dem wir vorletzten Samstag an Hennings Fakultät geladen waren, ein Graduation Dinner vom Feinsten. Empfangen mit kühlen alkoholischen Getränken wie Sekt, Wein, Cocktails oder Bier und einigen Canapés begann der Abend sehr gemütlich als Stehbankett. So kam man mit dem einen oder anderen ins Gespräch und ich konnte auch endlich mal Hennings „Crew“ kennenlernen. Vor allem der Head of School, David Thiel, erwies sich als äußerst locker und lustig. Völlig krampfloses Verhältnis zwischen Prof und Student ohne Hierarchiegehabe, in Deutschland nahezu unvorstellbar – na gut, Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel.
Nach dem netten Einstieg ging es an die festlich geschmückten Tafeln. Hier mischten sich alle bunt durcheinander und so versprach der Abend sehr interessant zu werden. An unserem Tisch saßen unter anderem June, die Sekretärin von David Thiel, Morgan, Hennings Mitbewohner, und dann noch Leute, die niemand so recht kannte. Waren zum Teil schon sehr außergewöhnlich, um es vorsichtig auszudrücken, aber wie gesagt irgendwie auch interessant. Mir gegenüber platzierte sich ein Pärchen, vom dem die Frau eher zum Fürchten war. Gut beleibt mit hochgeschnallter Brust und einem Gesicht, bei dem man nicht recht wusste, wo der Mund anfängt und die Augen aufhören. Nicht etwa, weil die Natur es so eingerichtet hätte, nein, die Dame verstand es einfach nicht, sich angemessen zu schminken. Kaum saßen alle, holte sie Schminktäschchen und Spiegelchen hervor, um noch mal die eh schon verhunzten Lippen nachzuziehen. Völlig unnötig, wie Henning feststellte, an der sei eh nichts zu schönen. Hinzu kam ihre penetrante Lache, noch dazu über Dinge, die nicht lachenswert waren. Aber war ja schön, wenn sich wenigstens einer permanent amüsierte J! So hatten wir auch unseren Spaß. Und beim Spiel, dass David nach dem vorzüglichen Essen mit verschiedenen Salaten, Fleischsorten und Aufläufen ins Leben rufte, erwiesen sich die Utensilien aus der Handtasche der „Dame“ dann doch zumindest für unser Tischteam als sehr nützlich, auch wenn wir nicht gewinnen konnten. Es galt 25 Gegenstände, die mit dem Fachbereich Engeneering zu tun hatten, innerhalb von zehn Minuten zu besorgen. Sieger waren natürlich die frisch graduierten Studenten, die zugegebenermaßen den größten Einfallsreichtum und gute Beziehung zum Bedienerpersonal hatten. Nach weiteren zwei Bierchen für Henning und einem Glas Wein für mich neigte sich der Abend so langsam dem Ende entgegen.
Weiter ging es dann am darauf folgenden Wochenende bei mir an der Gold Coast. Henning und ich entschieden uns spontan für ein Barbecue. Schließlich habe ich auf der Terrasse einen monströsen Grill stehen, der dringend mal wieder benutzt werden sollte, da Todd ja kaum noch zu Hause ist. Na ja und irgendwann müssen wir ja auch mal das „Nationalessen“ schlechthin testen. Die Australier lieben Barbecues. Überall in Parks findet man Plätze mit Grills, die man ohne vorherige Anmeldung benutzen kann. Einzige Bedingung: Hinterher sauber machen und Platz schaffen für eine zweite Grillgesellschaft.
Nach langem Hin und Her an der Fleisch- und Fischtheke hatten wir unser Menü zusammengestellt: Kebab-Spieße, Hänchenfilet, Flügelchen und Prawns (Garnelen), auf die ich mich besonders freute (das Seafood-Angebot ist so klasse hier, wenn es nur nicht so teuer wäre!). Dazu gab es Knoblauchbrot, einen frischen Salat und gefüllte Champignons. Natürlich von allem nur ein bisschen, um die Vielfalt zu wahren, und trotzdem ein „bisschen“ viel. Ist halt schwierig, für zwei Personen angemessen zu kalkulieren. Gut, dass Henning so ein ausgezeichneter Esser ist! Der verwertet immer die Reste, so dass nix übrig bleiben muss.
Noch satt vom Wochenende folgte ich am Montagabend der Dinner-Einladung von Evelin, meinem Supervisor. Ihr Mann Joe und sie haben für Razina, Shaik und mich einen tollen italienischen Abend bei sich zu Hause veranstaltet. Extra vegetarisch, da Razina und Shaik aufgrund ihrer Religion nur bestimmte Fleischsorten essen dürfen und dann auch nur von ausgewählten Fleischern. Es war so lecker und dazu noch super gemütlich auf der Riesenterrasse. Das ist wirklich toll hier in Australien: Selbst wenn es regnet, kann man draußen sitzen, weil es so warm ist. So hielt uns der zwischenzeitliche Schauer keineswegs davon ab, bei Kerzenschein und einem guten Glas Rotwein außerhalb des Hauses zu verweilen. Höhepunkt war Evelins Nachtisch: Eine Maltesertorte. Allerdings nicht aus dem bekannten Alkohol entstanden, da Razina und Shaik absolutes Alkoholverbot haben, sondern aus der australischen Süßigkeitenspezialität. Glaube fast, dass ich die kleinen Schokokugeln schon mal irgendwo in Deutschland gesehen habe. Jedenfalls schmeckte der Kuchen fantastisch, so dass wir am nächsten Tag in der Uni noch die Reste verzerren durften. Als Joe Razina und Shaik nach Hause brachte, gönnten Evelin und ich uns noch ein weiteres Glas Wein und kamen so ins Plaudern. Endlich Zeit, auch mal mehr Privates zu erzählen und es war, als ob wir uns schon ewig kennen würden. Ein rundum toller Abend und das Beste: Ich wurde samt meinem Rad (die haben ein wirkliches Schiff als Auto) nach Hause gebracht, so dass ich Schisser nicht durch die Dunkelheit radeln musste.
Unschlagbar war allerdings der Christmas-Lunch am Freitag. Geladen hatte unsere Head of School, Nerida Smith, in ein Nobelrestaurant im 21. Stock eines riesigen Hotelkomplexes im Nachbarstadtteil Ashmore. Schon beim Betreten des Gebäudes wurden wir von Luxus überwältigt und bekamen eine Vorahnung auf das bevorstehende Essen, bei dem der Begriff Lunch mehr als unangebracht war. Ich glaube, ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so nobel gegessen, aber es war fantastisch und dazu noch umsonst, na ja zumindest für mich, denn die School of Pharmacy blätterte mal eben 50 Dollar pro Person auf den Tisch, was in etwa 32 Euro sind – nicht schlecht. Zur Auswahl standen zwei Gänge, entweder Vor- und Hauptspeise, Hauptspeise und Nachtisch oder Vorspeise und Nachtisch. Zwar waren von jedem Gang „nur“ jeweils vier verschiedene Variationen aufgelistet, aber angesichts dessen, was es da Leckeres gab, keine leichte Entscheidung. Ich brauchte bestimmt 20 Minuten, bis ich mich endlich für Vorspeise und Hauptgang entschieden habe: Zunächst eine Seafood-Platte mit Prawns, eingelegt in Knoblauchsauce, Sushi und irgendeinem weißen Fisch, den ich nicht kannte, der aber sehr mundete und an nicht definierbarem Salat angemacht war. Als „main course“ entschied ich mich für Pasta mit einer so fantastischen Sauce garniert mit grünem Spargel und Sherry-Tomaten. Hört sich zugegebenermaßen gar nicht so spektakulär an, aber das muss man gegessen haben, um zu sagen, dass es doch außergewöhnlich im Geschmack war. Die meisten von uns waren nach zwei Gängen noch nicht satt, was ich gar nicht verstehen konnte, und so bestellten sie noch zusätzlich einen der leckeren Desserts. Ich begreife das eh nicht: Die Australier essen wie verrückt, sind faul (immer nur Fahrstuhl und Auto!) und sind trotzdem in den meisten Fällen schlank! Wie machen die das nur? Meinereins ist nach zwei Gängen mehr als satt, fährt Rad und nimmt immer nur die Treppen und hat schon wieder gefühlte 2 Kilo mehr auf den Rippen als noch zur Ankunft vor 5 Wochen! Mmmh, die müssen doch ein ganz spezielles Geheimnis haben! Na ja, egal, jedenfalls war es ein toller Nachmittag und wir hatten einen traumhaften Blick über Gold Coast, einfach einmalig!!! Völlig überwältigend.
Mit diesem Tag ist die kulinarische Serie aber noch längst nicht abgeschlossen: Nächste Woche bin ich für zwei Tage auf einen Kongress hier in Gold Coast eingeladen – zwei Tage lang wissenschaftliche Vorträge von wichtigen Personen, die von weltweit anreisen. Auch hier soll es am Donnerstag mal wieder ein nobles Dinner geben, jedenfalls wurde uns empfohlen, uns rauszuputzen. Nun ja, wird schon wieder ein gediegener Abend werden, wenn man bedenkt, dass wir Studenten ein Hotelzimmer im Hyatt (gibt es auch in Deutschland) spendiert bekommen, obwohl wir uns im gleichen Ort befinden. Schließlich wolle man uns abends nicht mehr zumuten, allein nach Haus zu fahren. Das nenn ich mal „Geld aus dem Fenster schleudern“! Aber warum soll man das nicht auch mal genießen, wie gesagt, mich kostet das ja keinen Cent und es kann auf keinen Fall schaden, wenn man neue Leute kennen lernt!

Kulinarisches

Keine Kommentare: